16.08.2023 Berlin-Wittenberg-Halle an der Saale

Ich musste in der Nacht aus dem Schlafsaal fliehen, das kranke Mädchen, das wahrscheinlich Corona hat, ist in das Bett neben mir gezogen und hustet und niest mich pausenlos an, was ich nicht erdulden will. Reklamieren wäre zwecklos. Ich hatte beim Erkunden des Hostels ein Abstellzimmer für Material entdeckt, dorthin zügle ich nun mein Bettzeug und verschliesse den Zugang mit einem Wäschewägeli, so dass mich niemand sieht. So schlafe ich auf einer kaputten Matratze auf dem Boden, was hundertmal besser und ruhiger obendrein ist. Nur habe ich jetzt ein wenig ein Schlafmanko, weil ich erst gegen Mitternacht dorthin gezügelt bin. Ich stehe trotzdem etwas früher als sonst auf, esse ausgiebig Frühstück und mache mich dann auf den Weg. Das Wetter ist schwül und heiss und es droht Regen. Ich will auf dem Weg noch Sanssouci in Potsdam besuchen. Die rund 30 Kilometer dorthin dauern lange, erst nach zwei Stunden, am Schluss noch in einer stehenden Kolonne, komme ich dort an. In meiner schweren Töffmontur ist es kaum auszuhalten. Trotzdem gibt es keine Garderobe, wo ich sie ablegen könnte. Ich laufe zum Schloss, wo gerade Unterhaltsarbeiten am Gartenweg ausgeführt werden, dann hinunter zum Springbrunnen, zur Orangerie, zum sizilianischen Garten und die zwei Kilometer zum Neuen Palais. Das Wetter bleibt unberechenbar, der Himmel ist bedeckt. Zurück muss ich wieder durch stehende Kolonnen weiterkriechen. Wenn das Signal endlich grün wird, sind die Fahrer eingeschlafen, so dass nur ganz wenige Fahrzeuge durch können. Einmal, als gar niemand fährt, getraue ich mich, zu hupen. Ueber Landstrassen geht es weiter Richtung Wittenberg. In Treuenbrietzen halte ich, besichtige kurz das historische Strassendörfchen und kaufe auf dem Markt, der dort gerade stattfindet, dunkles Brot und geräucherte Makrele für das Mittagessen. Endlich komme ich in Wittenberg an, wo ich direkt beim Lutherhaus parkieren kann. Ich besichtige das im Lutherhaus eingerichtete Museum. Ausgestellt sind unter Anderem das Siegel der Wittenberger Universität, viele Zeichnungen, Drucke und Bilder von Luther, viele von Lucas Cranach d.Ae., der in der gleichen Strasse gewohnt hat, Ablasszettel, Spottbild von Anhängern Luthers, Luthers Kanzel (1514), Originaldrucke der 95 Thesen, eine Bulle von Papst Leo X gegen Luther und seine Anhänger (1520), Luthers Kutte, der „Gemeinsame Kasten der Stadt Wittenberg (1520)“ was die erste Kasse einer politischen Gemeinde sein dürfte, sowie das Disputationskatheder (1685) von Johann Jacob Marchand. Im Alter hat Luther übel gegen die Juden gewütet, so z.B. in der Hetzschrift „von den Juden und ihren Lügen (1543)“. Mein nächster Besuch galt dem Melanchthon-Haus. Melanchthon war ein Freund Luthers, allerdings jünger, und ein grosser Gelehrter. Ich besichtige sein Haus, von dessen Einrichtung praktisch nichts mehr erhalten ist. Dann laufe ich durch Wittenberg, an der alten Universität Leucorea vorbei zum Marktplatz und zur Schlosskirche, in welcher gerade eine Beerdigung stattfindet. Auf dem Rückweg besichtige ich die Stadtkirche, wo der berühmte Reformationsaltar von Lucas Cranach d.J. (1547/48) hängt. Eine beeindruckende Sammlung von Lucas-Cranach-Bildern hängt im Kirchenchor. Nun muss ich mich beeilen, um noch rechtzeitig in Halle anzukommen. Es ist schon fast sieben Uhr, als ich mich durch den mutmasslich durch einen Unfall verursachten Verkehrsstau durchgekämpft habe und zu meiner Unterkunft, dem „Hostel 5“, komme. Es handelt sich wieder mal um eine personallose Unterkunft. So mache ich den Self-Check-In und gehe gleich etwas zum Abendessen einkaufen, diesmal ist es Soljanka. In der vor Dreck starrenden Küche in einem noch nie geputzten Mikrowellenoffen muss ich sie zubereiten. Hätte ich das gewusst, hätte ich auswärts gegessen.

Schloss Sanssouci, Sanssouci Park, Potsdam, Deutschland;