Sestriere-Fenestrelle-Pinerolo

Ich schlafe extra etwas länger und fahre um neun Uhr ab. Es regnet nicht mehr, aber es ist immer noch kalt. Bis Fenestrelle ist keine allzu grosse Distanz. Ich komme kurz vor 10 Uhr ab, gerade noch rechtzeitig, um ein Billett für die dreistündige Besichtigung der Festung Fenestrelle zu ergattern. Die Festung ist die grösste dieser Art in Europa und erstreckt sich über drei Kilometer auf dem Berghang. Die Besichtigung ist auf Italienisch, so verstehe ich nur einen Teil davon. Unser Führer ist ein älterer Herr, aber überaus bewandert und er kennt alle Daten und Namen auswendig. Wir besichtigen erst das Parterre des Gouverneurspalastes, dann die vier unteren Stockwerke des Verwaltungsgebäudes, wobei sich dort neben Lebensmittellagern eine Zisterne und eine Bäckerei befinden. Zuunterst ist die Porta Reale, im oberen Teil war ein Lazarett eingerichtet. Dann steigen wir hinauf den den Truppenunterkünften, die in drei Reihen in den steilen Berghang gebaut wurden. Später wurden sie als Gefängnisse benutzt. Ungeheizt und Zugig überlebten die Wenigsten. Interessant ist ein Türmchen. Es wurde als frühe Form des Blitzableiters gebaut, oben hatte es ursprünglich eine Stange, die geerdet war. Das Pulverlager ist von Belüftungsgängen umgeben, damit das Pulver nicht feucht wird. Ein kurzes Stück gehen wir auf der gedeckten Treppe (der Scala Coperta) hinauf, aber es ist dunkel und glitschig, also hohes Unfallrisiko. Auf der rechten Seite sehen wir die „französische Mauer“, die kaum eine militärische Funktion hat, aber auf eine steile Felswand gebaut ist. Auch weiter oben hat es wieder Küchen, Aufenthaltsräume und Kasematten, die noch bis ins 19. Jhdt benutzt wurden. Ueber die Oberseite der Wehrmauern kehren wir zum Ausgangspunkt zurück. Schnell sind die drei Stunden vergangen! Als ich wegfahren will, merke ich, dass etwas mit meinem Hinterrad nicht stimmt. Ich schaue nach und bemerke, dass es ganz platt ist. Auch das Nachpumpen mit der elektrischen Pumpe ist nutzlos. Der Busfahrer versucht es noch mit seiner Pumpe, aber der Schlauch nimmt keine Luft mehr auf. Ich finde auch den Nagel, der mir das Unglück bewirkt hat. Ich telefoniere alle Motorradgeschäfte in Pinerolo ab, aber sie winken allesamt ab oder sagen sogar, dass sie keine Reifenreparaturen machen würden. Auch die Pneugeschäfte wollen mir nicht helfen. Es bleibt mir nichts anderes übrig, als dem TCS anzurufen. Man verspricht mir Hilfe in einer bis eineinhalb Stunden. Effektiv dauert es aber dreieinhalb Stunden, bis der Abschleppwagen auftaucht und das Motorrad mitnimmt. Er will mich zu Tech Moto bringen, doch das will ich nicht, denn die haben mir am Telefon gesagt, dass sie keine Reifenreparaturen machen würden. Der Fahrer telefoniert wild herum und das Abschleppauto macht gefährliche Schwenker, bis er meint, dass Ughetto Gomme in Villar Peroso die Reparatur vornehmen könnte. Dazu braucht er aber die Ermächtigung von ACI. Diese sind telefonisch einfach nicht zu erreichen. Als wir ankommen, fehlt die Ermächtigung immer noch. Er will nicht abladen. Erst als ich mit dem TCS erneut am Telefon bin, fängt er doch noch an, abzuladen. Da haben wir schon eine halbe Stunde sinnlos gewartet. Weil Ughetto Gomme den Schlauch an Lager hat, geht es gerade einmal 20 Minuten, bis das Rad mit neuem Schlauch wieder montiert ist. Die Ursache war rasch gefunden: Eine Popniete hat sich in den Pneu gebohrt und den alten Schlauch für zirka einen Zentimeter aufgerissen. Kein Wunder, hat alles Pumpen nichts genützt. Ich hole im Carrefour etwas für das Abendessen – zum Ausgehen ist es jetzt zu spät und ich will in meiner Unterkunft das Mittagessen nachholen. Diese stellt sich als herrschaftliche Villa mit grandios eingerichteten Zimmern dar. Fast wie in einem Palastmuseum. Die Besitzerin kümmert sich rührend um mich.