Frühmorgens fahre ich in Jena ab. Es regnet nicht, doch wie schon gestern ist der Himmel mit dunklen Gewitterwolken bedeckt. In Wiehe folge ich den Schildern „Modellbahn“ und gelange zur Modellbahn Wiehe. Doch die öffnet erst um zehn Uhr, so muss ich noch 45 Minuten totschlagen. Ich laufe zum Schloss und zurück. Kurz darauf wird geöffnet, ich bin der erste Gast. Die H0-Anlage „Thüringen von West nach Ost“ ist ausgezeichnet gemacht, sehr detailliert und liebevoll. Sie zeigt die Zeit vor der Wende, mit vielen Trabis, Barkas, Wartburg und IFA W50. Auch die Zonengrenze wurde nachgestellt. Auch das RAW Meiningen oder die Wartburg wurden nachgebaut. Die Spur-G-Anlage ist mehr für Kinder, wenig Detailliert und auch nicht sehr gross. Völlig unverständlich, weshalb eine Sektion die Osterinsel behandelt. Eine Spur TT Anlage heisst „Hamburg-Würzburg“, es ist aber auch Berlin dabei. Sie ist nicht mehr so liebevoll aufgebaut wie Thüringen. Noch weniger attraktiv ist die H0-Anlage „London-Istanbul“. Die verschiedenen Ortschaften wurden eigentlich ohne Bezug zur Wirklichkeit gebaut und die jeweils dominierende Kirche wurde als Modell aus grünem Schaumstoff gemacht, was stört. Diese Anlage ist mit derjenigen von Thüringen verbunden, so dass die Züge über einen zweispurigen Wendel in die Höhe fahren und auf der jeweils anderen Anlage wieder über einen Wendel nach unten. Die Spur G USA-Anlage ist wenig detailliert aufgebaut, einzig die Holzbrücken entsprechen minutiös dem Original. Im Berg drin gibt es verschiedene Tunnels mit Exponaten, die nichts mit der Anlage zu tun haben. Rund herum gibt es noch eine Indianer- und Eskimoausstellung mit vielen Zinnsoldaten. Das passt auch nicht dazu. Eine weitere Ausstellung ist ein Nachbau der Terrakotta-Armee aus Xian, etwas im Massstab 1:10. Ein paar Abgüsse der Terrakotta-Soldaten sind ebenfalls da. Ueber eine Treppe erreicht man eine Ausstellung des Malers Reinhard Bergmann. Ich kann mit seinen Bildern nichts anfangen, für mich sind sie Kitsch. Immerhin hat man von hier oben einen Ueberblick über die Anlagen in dieser Halle. Ebenfalls thematisch nicht zuordenbar ist die Ausstellung von Geldscheinen aus aller Welt. Interessant wiederum sind die vielen Vitrinen der Hersteller von Modellbahnen und Zubehör. Nach einer guten Stunde muss ich weiterfahren, schliesslich muss ich vor dem Gewitter Braunschweig erreichen. Um die Mittagszeit finde ich weit und breit nichts, das offen ist. Endlich, als ich durch Sangerhausen fahre, finde ich einen offenen Imbiss, wo ich halte und was essen kann. Es fängt heftig an zu regnen, ich ziehe das Regenzeug an. In Harzgerode tanke ich nach, muss aber im Regen weiterfahren. Die Strasse nach Quedlinburg ist leider ersatzlos gesperrt. So muss ich einen zehn Kilometer langen Umweg machen. Die Fahrt wäre wunderschön, wenn es nicht dermassen heftig regnen würde. Es geht durch den Harz, um den Brocken herum, Thale, Blankenburg, Wernigerode. Bisweilen hört es für kurze Zeit auf zu regnen, nur um danach mit grösserer Heftigkeit wieder anzufangen. Auch die Umleitung wird umgeleitet (d.h. die Umleitung muss man sich mit dem Navi selbst suchen). So fahre ich nur noch im Zickzack. Da verliere ich die Nerven und nehme die Autobahn für die letzten 60 Kilometer. Der Regen brätscht mir ins Gesicht und ich sehe fast gar nichts, weil die Autos so viel Wasser aufwirbeln. Kurz nach drei Uhr bin ich in der Ausfahrt Braunschweig. Ich stelle die Navigation auf „Tankstelle“ um und erreiche mit dem letzten Tropfen Benzin die Tankstelle. Von hier aus sind es noch fünf Kilometer zu meiner Unterkunft, dem Altstadt-Hotel Wienecke. Das Navi kann mir keine plausible Strecke für die Anfahrt errechnen, aber es ist Sonntag und es hat keinen Verkehr, weshalb ich nicht alle Einbahnstrassen beachten kann, um dahin zu gelangen. Endlich kann ich den Scooter abstellen, mein völlig durchnässtes Zeug in den vierten Stock (ohne Lift) tragen. Allerdings stellt mir das Hotel einen Raum zum Trocknen des nassen Zeugs zur Verfügung – ich hänge alles an eine Bockleiter, die dort steht. Trotz heftigem Regen will ich Braunschweig erkunden. Mit Schirm und Jacke gehe ich hinaus in das Unwetter, besuche das Magniviertel, wo sich schöne alte Fachwerkbauten um die St. Magnikirche scharen. Eine Ecke ist mit einem höchst originellen Pop-Art-Gebäude überbaut, dem „Happy Rizzi House“. Ich laufe zum Residenzschloss, das innen ein modernes Shoppingcenter, die „Schloss-Arkaden“, beherbergt. Nächster Stopp ist das Rathaus, im Stil der Jahrhundertwende erbaut, die Burg Dankwarderode, mit dem Burgplatz, auf dessen einen Seite der enorm wuchtige Dom St. Blasii steht. Weiter geht es zu „Vor der Burg“, zum Ringerbrunnen, zur „Kleine Burg“ Strasse mit den langen Fachwerkhäusern, zurück zum Dom St. Blasii. Da ich etwas ziellos weiterlaufe, gelange ich zum Stadtpark, der einen schönen Weiher hat. Ein Teil davon ist der Kiryat-Tivon-Park, der der Partnerstadt Kiryat Tivon in Israel gewidmet ist. Gerade als ich wieder beim Hotel ankomme, hört der Regen auf. Ich habe jetzt keine Lust mehr, die Tour zu wiederholen, weshalb ich zu meinem Zimmer gehe und meine Kleider und den Schirm zum Trocknen lege.





















